Sonntag, 13. Juni 2004
Drei Minuten Todeskampf
Es ist gerade mal zwei Monate (Ostern) her, da besuchten uns, d.h. meine Stammfamilie, die italienische Verwandtschaft meines Vaters, um den im Februar geborenen Neuankömmling Fabio, das erste Kind meiner vier Jahre jüngeren Schwester, zu begrüßen.

Gestern morgen erreichte mich um 08:18 Uhr folgende SMS meiner Eltern, die gerade selbst in Italien verweilen: „Hallo Patty, heute Nacht ist Onkel Mimi plötzlich gestorben. Theresa (seine Frau, die an Ostern ebenfalls mit vor Ort war) rief gegen 02:00 Uhr an. Mimi fühlte sich schlecht und war in drei Minuten tot. Er rief noch um Hilfe. Sag allen bitte Bescheid. LG Ma“

Onkel Mimi und FabioIch weiß nicht, wie ich meine Bestürzung darüber in Worte fassen kann!? Es ist nicht so sehr die Traurigkeit, die ich ob seines Ablebens wahrnehme, dazu fehlte die Regelmäßigkeit des Kontakts, die aufgrund der Ferne nicht möglich war, obgleich es natürlich furchtbar ist, dass er von uns schied. Zeit meines Lebens war er der vor Tatendrang strotzende Lebemann und Genussmensch, der das Leben liebte und lebte, wo es ihm eine Chance dazu ließ. Im Winter fuhr er Ski, im Sommer campierte er mit seinem Wohnmobil jedes Jahr vier bis sechs Wochen am Meer, während er den Frühling und den Herbst dazu nutze, organisierte Busreisen mit Freunden zu unternehmen. Nach einem deliziösen Mahl ließ er die Abende stets mit einem guten Tropfen Wein, den er sich kistenweise orderte, ausklingen, gleichwohl er weit davon entfernt war, Alkoholiker zu sein. Nicht mehr lange und er wäre in Rente gegangen. Es ist schwierig, nachvollziehbar zu machen, was ich von Kindesbeinen an, bei jedem Wiedersehen im Urlaub von ihm wahrnahm und sich im Laufe der Zeit als festes Bild in mir manifestierte. Irgendwie soll er jetzt einfach tot sein ...

Habe mir eben noch mal die Bilder von Ostern angesehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass in Onkel Mimi jetzt kein Blut mehr zirkuliert und die Natur inzwischen, wenn auch durch die Kühlung im Leichenschauhaus unterbrochen, schon damit begonnen hat, ihn zu zersetzen und er, der die Größe des Raums und die Freiheit so schätzte, sein zerfallendes Dasein in dieser begrenzten Box, die sich Sarg nennt, fristet. Selbst die Photos erscheinen mir lebhaft. Sicherlich wird die meisten Menschen der Tod einer Person überraschend treffen, doch dass der Sensemann so früh an seiner Türe klopfte, kann ich im Moment noch nicht wirklich erfassen. Vielleicht ist es auch das in solchen Momenten regelmäßig wiederkehrende Bewusstsein über die Endlichkeit des Seins, die mich gestern so vereinnahmend ergriff?

„Er rief noch um Hilfe“, schrieb meine Ma. Wer schreit um Hilfe? Der, der bei klarem Verstand seine Notlage bewusst erfährt.

Wie es wohl sein mag, drei Minuten lang zu sterben?

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Freitag, 4. Juni 2004
(N)online
Schade, seit gestern habe ich von zuhause leider keinen Zugriff mehr ins Netz.

Keine Ahnung, wie lange das diesmal wieder anhalten wird.

Wurde während des Surfens einfach getrennt und kann mich seitdem nicht mehr einwählen.

Einen technischen Defekt schließe ich - nachdem es mir in der Vergangenheit ja schon ein paar Mal so ergangen ist und mir weder die Telekom noch mein Provider helfen konnten - aus.

Diese Zeilen schreibe ich mehr oder minder "heimlich" aus der Arbeit heraus, weshalb sie, der musischen Unfreiheit wegen, sicherlich auch sachlich klingen werden.

Jetzt könnte ich wieder mal eine Wochenendfee gebrauchen, die mir nicht nur Zeit (werde morgen den ganzen Tag für eine Freundin einen Promotionjob in Aschaffenburg ausüben) und einen funktionable Internetverbindung herbeizaubert, sondern auch die Zuversicht, dass das, was mich an zweifelhaften Gefühlen gerade umgibt, auch gut werden wird.

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Donnerstag, 3. Juni 2004
Vertrauen ehrend
Nachdem ich niemanden kompromittieren möchte und Kai mit verständlich (da es mir sicherlich nicht anders ginge) schambesetzter Überwindung das Gedicht vortrug, möchte ich – ihm zur Rücksichtnahme - auch nichts weiter darüber erzählen, außer dass ich mich über sein mir entgegengebrachtes Vertrauen, das ich nicht missbrauchen möchte, geehrt fühlte.

Ansonsten gestaltete sich der heutige Tag der „Exkursion“ gen Mainschleife noch früher verlagsverlassend als der gestrige. Erschreckend schön und doch auch beängstigend!

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Verlorene Biergartenwette und ihr mir bevorstehender Einsatz
Im spielerischen (nicht boshaften!) Spekulieren über eine alleinsitzende Dame im Biergarten, dem Kai, der für mich zuständige Redakteur, und ich gestern nach getaner Arbeit, die bereits um 15 Uhr ein zügiges Ende fand, da die Ausgabe zu jenem Zeitpunkt bereits fertig war, einen Besuch abstatteten, schlossen wir, um die jeweils unterschiedliche Ansicht durch die fest angenommene Vermutung zu verstärken, einen Wette ab, die Kai verlor.

Einsatz der Wette lautete: Der Verlierer muss dem Gewinner ein Gedicht vortragen. Wir vereinbarten, dass das heute in der Arbeit – unter Ausschluss anderer Zuhörer – realisiert wird.

Tja, und jetzt bin ich relativ kurz vor dem Aufbruch ins Büro und bin einfach nur gespannt, welches Gedicht Kai rezitieren wird.

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Freitag, 28. Mai 2004
(K)ein Tag wie jeder andere
Habe den heutigen Tag – des Volontärstags wegen – nahezu gänzlich im Wald verbracht, was besonders in den Morgenstunden weitaus kühler war, als sich alle Teilnehmenden (13 Volontäre und unsere betreuende Person), selbst den drei Forstangestellten, erwartungsvoll vom Tag erhofften.

Beinhaltete das letzte diesbezügliche Treffen noch den Aspekt des Insolvenzrechts, unterlag das heutige Thema bereits der Forstreform sowie der Natura 2000.

Wie bereits erwähnt, die Kälte des Morgens war das primäre Problem, unter dem - von teilweise akutem Desinteresse einmal abgesehen - alle litten.

Die dozierten Fakten des Tages, soweit ich sie noch in Erinnerung behalten habe, erläuternd aufzurollen, ohne dabei selbst den Wald als sinnerweiternde Erfahrungsquelle wahrzunehmen, würde sich meines Erachtens wüstengleich trocken lesen, weshalb ich es an dieser Stelle auch nicht weiter ausführen möchte. Eliminiere ich im gedanklichen Rückblick – neben dem Gefühl des Ausgegrenztseins - das stundelange Frieren, blicke ich auf einen interessanten und informativen Tag zurück.

Ausgegrenzt?

Ja, ausgegrenzt!

Nachdem mehrere Versuche der Isolationsüberwindung meinerseits fehlschlugen und ich spürte, dass man mir auf meine Fragen zwar antwortete, aber nicht wirklich etwas mit mir zu tun haben wollte, sank nicht nur meine Stimmung, sondern auch mein Selbstwertgefühl, das Kai mit seiner gestrigen Bemerkung, dass ich eine totale Bereicherung für den Laden sei und er jetzt selbst Thomas nach vier Jahren einmal herzlich lachen hört, mental pushte, auf den Nullpunkt.

Klar habe ich mich gefragt, woran es wohl liegen könnte, dass ich in dieser nicht dazugehörenden Rolle stecke?

Ideen kamen mir einige:

- Ich war grundsätzlich erst das zweite Mal dabei (beim letzten Termin nur
nachmittags), kurz: ich bin neu, wobei ich das nicht als Grund annehme, dafür wirken sie menschlich zu offen!
- Sie kommen allesamt von der Mainpost (pro Jahrgang fangen dort im April neun Personen zum gleichen Zeitpunkt an), ich als einzelne von der VSG (bin die zweite Volontärin, die dort überhaupt ausgebildet wird, wobei die andere inzw. ihr Volontariat beendet hat)
- Sie haben einen anderen Humor als ich
- Sie halten mich für einen Schleimer, da mich die Vorträge ansprachen, ich zuhörte und Fragen aufwarf, während ein Teil von ihnen völlig desinteressiert störende Albernheiten kreierte. Davon abgesehen trug ich zeitweise den Koffer der Forstwissenschaftlerin, um sie zu entlasten, was sicherlich nicht minder schleimig wirkte.

Mich aus Gruppenzugehörigkeitsgefühl meinem Interesse zu verweigern, sah ich aber auch nicht ein, da ich mich, um anerkannt zu sein, nicht künstlich verbiegen möchte.

Kann natürlich sein, dass ich alles falsch sehe!

Theoretisch müsste man jeden einzelnen zu seinem Empfinden und Verhalten mir gegenüber befragen, um die allgemeine Wahrheit zu kennen, was ich aber nicht nachzuholen gedenke, weshalb mir bisher nur die Annahme der obigen Ideen als möglich erscheint.

Inwieweit sich meine selbst zweifelnden auf virtuellem Papier festgehaltenen Äußerungen als glaubwürdig erweisen, wird mit Sicherheit auch die Zukunft zeigen.

Der nächste „Volotag“ steht am 21. Juni an, wobei „Tag“ in diesem Zusammenhang keine korrekte Aussage darstellt, da wir uns eine komplette Woche mit der Justiz beschäftigen und auch das Gericht sowie das Gefängnis aufsuchen werden.

Wait, see ... and hope!

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Mittwoch, 26. Mai 2004
Selten so gelacht
Und dann kam alles anders ...

Wie man sich nur so täuschen kann?!

Aufgrund der Erfahrungen des letzten Dienstags, an dem mir die beruflichen Anforderungen an meine Person im Vergleich zu meinem Vermögen so unausgeglichen schienen, hatte ich vor heute (Produktionstag) große Bedenken. Die Schwere meiner trübseligen und angsteinflößenden Gedanken fesselten mich aufstehvermeidend ans Bett, bevor mich der zwingende Blick auf die Uhr doch dazu nötigte, obgleich mich meine Furcht im Vorankommen hinderlich lähmte.

Und dann?

Ich war kaum zehn Minuten im Büro, als ich erfuhr, dass ich eine gute halbe Stunde später mit Kai zur Pressekonferenz des Afriva-Festivals, das sich an dem hiesigen Pfingstwochenende erneut ein spektakuläres Stelldichein (Europas größtes Africa-Festival!) gibt, aufbrechen dürfe. Dass ER heute dorthin gehen würde, war mir längst bekannt, lediglich mein Part der heutigen Tagesrolle schien überraschend neu geschrieben worden zu sein, doch mir kam das sehr aus mehreren Gründen sehr gelegen:

1) schien draußen die Sonne
2) entband mich das von einem Tag, an dem ich ausschließlich am Schreibtisch zu sitzen habe
3) verzögerte sich das „Fließbandschreibenmüssen“, das mich letzten Dienstag so gänzlich aus dem Konzept brachte
4) gestaltete es den Tag grundsätzlich abwechslungsreicher

Der Pressekonferenz einer solch bedeutungsvollen Veranstaltung beizuwohnen, ohne dabei selbst mitschreiben zu müssen (ich bat Kai darum, um zu sehen, was er als wichtig erachtet), sorgte für ein relativ befreites Zuhören der offerierten Informationen. Lediglich den angepriesenen Tuareg aus Mali sollte ich photographieren. Da er aber kein „Aufmacheroutfit“ trug, meinte Kai, dass wir ein Bild aus seiner letztjährigen Sammlung nehmen, womit mir auch diese „Last“, die ich mit der Verlagskamera hätte „verewigen“ sollen, erspart blieb.

Der weitere Tagesablauf im Büro gestaltete sich dann auch gänzlich gelassener als noch morgens im Bett gefürchtet. Da die Anzeigenabteilung nicht so viele Anzeigen verkaufen konnte und sich danach aber unsere Seitenzahl bestimmt, wurde heute nur eine sehr dünne Ausgabe gespiegelt, was zwangsläufig damit verkoppelt ist, dass der zu füllende redaktionelle Teil auch nur ein sehr magerer war, weshalb das Tagwerk bereits um 16.30 Uhr vollendet war. Die Zeit nach der Rückkehr der Pressekonferenz bis hin zur Fertigstellung der Ausgabe hätte man heute aufgrund der Albernheiten, die wir zu dritt (Thomas, Kai und ich – wir arbeiten in einem Büro) einander animierend realisierten, filmen müssen. Ich kam aus dem Lachen fast nicht mehr heraus, konnte mich auch kaum beruhigen, selbst als das Telefon klingelte. Kai meinte, dass ich „natural high“ sei.

Schade, dass ich von dieser vergnügt-fidelen Stimmung nur schriftlich berichten, sie aber nicht in diesem Medium versprühen kann, um diesen wunderbaren Zauber des zufriedenen Moments spürbar zu machen.

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