Dienstag, 24. August 2004
Faule Ratte
Was nicht tötet, härtet ab. Dieser Gedanke trug mich heute durch den Tag. Ich hätte ihn würgen können!

Wen?

Thomas!

Kai sagte mal zu mir: „Wenn Du irgendwo Urlaubsvertretung machst, ist es Aufgabe des vor Ort zuständigen Redakteurs, Dir den kommenden Aufmacher der ersten Woche, in der diese Person nicht mehr da ist, vorzubereiten. Irgendwie scheint diesbezüglich in Bad Kissingen aber alles schief zu laufen. Ich D U R F T E bereits heute, obwohl Thomas derzeit ja noch da ist, den Aufmacher – Hartz IV - für die Mittwochsausgabe anfertigen. Worüber ich mich wirklich ärgerte war der Umstand, dass ich bereits am Freitag eine Umfrage dazu machte und mir Thomas zu jenem Zeitpunkt noch nichts von einer Titelstory erzählte. Sonst hätte ich das Wochenende nämlich auch ausgiebiger darüber recherchieren können und hätte den Überraschungsanschlag, den ich neben einem anderen Artikel, bei dem es aufgrund meiner geographischen Unzugehörigkeit nicht minder reichlich in Erfahrung zu bringen gab, erledigen sollte, heute sicher nicht als so dumpf empfunden.

Thomas macht es sich bequem. Während er mich auf Termine schickt, erlaubt er sich, erst um 12.45 Uhr zur Arbeit zu kommen, was mir ein „wir wundern uns manchmal schon selbst über ihn“ von den anderen Kollegen zur Erklärung einbrachte. Ich will mich selbst gar nicht ausnehmen! Das Thema Pünktlichkeit ist das, an dem es bei mir noch reichlich zu verbessern gibt, dennoch habe ich ein dermaßen großes Zeitloch von dem ungefähren Arbeitsbeginn um 9.30 Uhr wirklich noch niemals gelassen! Erheiternd war zudem seine um 13.30 Uhr gestartete Anfrage, ob er mir, da er jetzt zur Mittagspause in die Stadt gehe, etwas mitbringen solle, während ich, wenn auch zu jenem Zeitpunkt noch nicht nach Außen erkennbar, mit den Tränen rang, weil mir alles so ausweglos schien. Ich benötigte „Originaltöne“, worauf ich zunächst den Geschäftsstellenleiter des Arbeitsamtes anrief. Allgemeines Blabla, zu einer Stellungnahme in dem Sinn konnte ich ihn nicht bewegen. Auf mein Nachfragen hin nannte er mir noch den Sozialamtsleiter, den ich in dieser Thematik sprechen könnte, wobei ich mich in diesem Dialog mit meiner Unkenntnis so richtig Scham verbrennend in die Nesseln setzte und seinen paragraphenbehafteten Ausführungen nicht mal ansatzweise folgen konnte, worauf ich - nach der Beendigung des Telefonats – wirklich nur noch weinen konnte, was meinem letzten Stückchen Selbstwertgefühl den Boden unter den Füßen entriss. Zu jenem Zeitpunkt war ich so voller Eigenhass und Gleichgültigkeit, dass ich diesen ganzen sch ... Job, bei dem ich mich in diesen knapp vier Monaten meiner Zugehörigkeit so oft überfordert sah und sehe, einfach nicht mehr weiter ausüben wollte, da ich mich anderen mit dieser Schmach nicht weiter zumuten wollte. Diese Wut gegen mich selbst versperrte mir die Aufnahmefähigkeit für die Texte, mit denen ich mich in die Thematik einzulesen gedachte.

Ich weiß nicht wie, aber irgendwie habe ich dann doch etwas zusammengeschustert. Selbst den Text über das Resümee der Theatertage komplettierte ich irgendwie noch, obwohl mir alles so stümperhaft erschien.

Der Gedanke an morgen widert mich an. Deshalb will ich eigentlich auch gar nicht schlafen gehen, weil das Erwachen zwangsläufig damit verbunden ist, dass ich morgen einmal mehr diese 138 ungeliebten Kilometer fahren muss.

Ich solle mir morgen Abend nichts vornehmen, meinte Thomas, schließlich sei Produktionstag!

Nun denn, ... frohes Gelingen, zumal in Bad Kissingen einiges ganz anders als in Würzburg läuft, ich aber weder hier noch dort Seiten zu bauen gelernt habe.

Noch zwölf lange und unsägliche Arbeitstage, dann darf ich wieder nach Wü!

Der Countdown im Kopf pocht ...

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Freitag, 20. August 2004
In die Knie gezwungen
Tag eins in Bad Kissingen – er hat mich niedergeknüppelt (jedes andere Wort träfe nicht den Kerngehalt des empfundenen Gefühls). Als ich abends die Geschäftsstelle verließ, waren meine Sinne dermaßen verwirrt und Daten überflutet, dass ich orientierungslos den Parkplatz suchte. In der Hoffnung, früher gehen zu können, entsagte ich der Mittagspause, was sich später als fatal erwies, da meinem Kopf das mentale Steinschleppen zunehmend die Kräfte entzog und ich geistig mehr und mehr abbaute.
Die Leute vor Ort sind, soweit ich das nach einem Tag beurteilen kann, nett und hilfsbereit. Problematisch erweist sich der Umstand, dass es für mich keinen Computer (Mac) gibt und ich insofern auch nicht dazu kommen werde, meine systembezogenen Defizite bis zu Thomas Urlaubsantritt durch Üben zu minimieren. Jetzt zweifle ich noch mehr daran, dass ich die Vertretung überhaupt realisieren kann. Schade, irgendwie hoffte ich, dass ich meine Angst nach dem ersten Tag ggf. ein wenig reduzieren kann. Weit gefehlt! Der Gedanke an morgen quält mich. Jetzt habe ich seit vielen Wochen erstmalig wieder ein Gefühl in mir, das ich im Verlag in Würzburg überraschender Weise innerhalb einer dauerhaften Beschäftigung nicht mehr empfand: Jenes, mit Unbehagen, an den nächsten Arbeitstag zu denken. Ja, in Würzburg konnte ich sowohl meine Feierabende als auch meine Wochenenden genießen, ohne schon sonntags schlecht gelaunt daran zu denken, was mich bereits am Montag wieder in Beschlag nimmt.

In Bad Kissingen ist es jetzt bereits schon jetzt so Furcht einflößend (obwohl die Leute echte nett sind), dass ich mich am liebsten krank schreiben ließe, bloß um nicht dorthin zu müssen.

Aber keine Bange, ich werde genau das nicht tun!

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Mittwoch, 18. August 2004
Manchmal kommt es anders, ...
Wer auch immer dieses Einsehen mit mir hat, ich schließe ihn in mein heutiges Abendgebet mit ein. Eben läutete mein Handy. Thomas aus Bad Kissingen rief an und fragte, ob ich denn schon losgefahren sei.

Ich: „Nein, aber ich wollte in den nächsten 5 Minuten aufbrechen.“

Er: „Lass es, es reicht, wenn Du morgen früh um 10 Uhr da bist“

Was für eine Erleichterung!

Jetzt habe ganz überraschend frei! Andererseits bleibt so aber auch wieder Zeit, um sich in etwas hineinzusteigern - ein Talent, das ich sehr ausgeprägt besitze.

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Mein Kampfmotto und die Tücken der Freude
Mein Arbeitstag verlief tränenreich, was möglicherweise daran gelegen haben mag, dass die Antennen der Selbstbeobachtung heute aufgrund des Umstands des vorerst letzten Tags in Würzburg besonders sensitiv reagierten. Bei jedem aufkeimenden Problem dachte ich einzig daran, dass ich in relativ unmittelbarer Kürze alles alleine zu bewältigen habe, egal, wie viel Hilfe man mir auch von Außen anbot. Wer jeden Tag eine fertige Zeitung vor sich liegen hat, kann, so vermute ich jetzt einfach mal, nicht ansatzweise erahnen, wie viele Fehler (keine orthographischen) man auf kleinster Fläche machen kann. Nicht dass ich es nicht besser machen will, aber durch meine Unwissenheit innerhalb meiner erst recht kurz im Verlag anwesenden Zeit wird sich jener sicher noch wundern, warum man mir, ausgerechnet mir diese verantwortungsvolle Aufgabe zugedachte. Ich bzw. die Ausgaben werden zum Gespött der Leute. Der Tag heute hat es mir in vielfacher Hinsicht einfach nur bestätigt.

Um die Bedenken und Ängste der anstehenden Wochen mit einer Vorfreude auf etwas Schönes zu nivellieren, wobei inzwischen selbst sie, die Vorfreude, Besorgnisse erzeugt, war ich nach der Arbeit im Reisebüro, wo ich für den Pan und mich für den 23. Oktober einen 10-tägigen Flug nach Jacksonville (Florida) gebucht habe. Von hier aus wollen wir – die Route entlang des Golf von Mexiko nutzend - Alabama und Mississippi durchqueren, um in Louisiana New Orleans zu besichtigen. Ob wir auf dem Rückweg nach Orlando (Ort des Rückflugs) hin die West- oder Nordküste Floridas entlang fahren werden, steht bis jetzt noch nicht fest, wobei ich vermute, dass die Seite des Atlantischen Ozeans (Osten) sicherlich die kühlere (und deshalb von mir möglicherweise auch wenig präferenziertere) sein wird, ich aber ungeachtet dessen dennoch offen für beide Varianten bin.


Und Bad Kissingen?

Dort muss ich – nach den Produktionstagen lassen wir es meist etwas ruhiger angehen - morgen erst um 13 Uhr erscheinen. Ich glaube, wenn Thomas, so heißt der vor Ort ansässige Redakteur, wüsste, welche Lücken ich noch habe, hätte er das Treffen sicherlich auf einen sehr erheblich früheren Zeitpunkt gelegt.

Zumindest kann ich ab morgen die Tage rückwärts zählen, denn wie lautet mein frustrationslinderndes Motto, das ich dem Pan in Zeiten der Not so oft mitteile? „Was einmal begonnen hat, findet auch wieder ein Ende“

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Dienstag, 17. August 2004
Jetzt hilft kein Verdrängen mehr, morgen ist es (leider) soweit
Noch einmal schlafen, wenn ich die kommende Nacht vor Aufregung überhaupt schlafen werde. Jetzt hilft kein Verdrängen mehr! Morgen muss ich definitiv nach Bad Kissingen. Hatte ich jemals soviel Angst oder fühlt sich jene nur so intensiv an, weil sie gerade so aktuell ist? Eineinhalb Wochen wird mir der ortsansässige Redakteur noch helfend zur Seite stehen, die gleiche Zeit soll ich dann gänzlich alleine die Ausgaben erstellen, was mir so unrealisierbar erscheint. Es wäre definitiv gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich das könnte. Wenn ich damit beginnen würde, meine Mankos, die ich noch nicht einmal alle in Worte fassen kann, da mir die technischen Begrifflichkeiten dafür fehlen, aufzuzählen, ich könnte Seite um Seite füllen.

Drei Wochen Bad Kissingen, drei Wochen Urlaubsvertretung, die ich, wenn es mit dem Organisieren einer anderen, versierteren Alternative nicht so aussichtslos wäre, sicher nicht antreten müsste. Und danach? Offiziell hätte ich drei Tage der Akklimatisation in Würzburg, um mich dort wieder in unserem System, das ich selbst hier noch nicht einmal gänzlich begriffen habe, einzufinden. Andererseits wird man mir aber nicht einmal diese drei Tage gönnen, denn im Urlaubsplan stehe ich bereits jetzt, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen, als Beates Vertretung in Schweinfurt, die sich dann, wenn ich sie zu bewältigen habe (auch hier wird sich sicherlich keine Alternative finden), gleich in unmittelbarer Bälde anschließen wird, da mich Beate in diesen verbleibenden drei Tagen dann noch mit den Schweinfurter Gepflogenheiten vertraut machen muss.

Ich wünschte, auch wenn mein geliebter Sommer dann längst vorbei ist, ich könnte die kommenden sechs Wochen einfach überspringen, um sie nicht leben zu müssen. Ich spüre die Angst im Bauch und kann sie einfach nicht mehr zur Seite schieben, sie drängt sich körperlich ins Bewusstsein, das ich einfach nicht wahrnehmen will, obwohl der Gedanke an Flucht (vor sich selbst) ein aussichtsloser ist. Ich weiß nicht, wie ich das überstehen soll!?

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Freitag, 13. August 2004
Aufgewühlte Stimmung
Ich kann das ewige Gemotze von Kai, dem für mich zuständigen Redakteur, dessen Vokabular unentwegt „Scheiße“ enthält, einfach nicht mehr ertragen. Klar hat jeder mal einen schlechten Tag, doch er schimpft pausenlos über alles, was er zu tun hat. Egal, über welches Thema er zu schreiben hat, es missfällt ihm. Davon abgesehen fühlt er sich ständig von allen benachteiligt oder angegriffen. Mittlerweile fällt es mir schon sehr schwer, noch höflich zu ihm zu sein, weshalb ich mich ihm meistens durch meidenden Blickkontakt und Schweigen entziehe, soweit ein gemeinsames Wirken das eben zulässt. Eigentlich scheue ich, Verallgemeinerungen wie „alle“ zu treffen, bei ihm scheint es mir – erstmalig in meiner Erfahrung im Umgang mit Menschen – angebracht.

So groß meine Angst vor Bad Kissingen (Urlaubsvertretung) auch ist, unter dem Aspekt des temporären Wegfalls des gemütssenkenden Verhalten seinerseits, erachte ich es als vorteilhaft, einmal drei Wochen nicht mit ihm zusammen arbeiten zu müssen.

Im Stillen ist mir glaube ich schon ein paar Mal der Kragen geplatzt. Zum Glück habe ich mich aber unter Kontrolle.

Vielleicht sollte ich ihm auch einmal in einem ruhigen Gespräch, das man meines Erachtens sachlich aber nicht mit ihm führen kann, weil er sich dann wieder angegriffen fühlt, mitteilen, dass dieses Verhalten mich selbst in eine schlechte Stimmung versetzt.

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